Warum revolutionärer Antifaschismus?

In Basel fand am 28.November 2020 eine grosse antifaschistische Demonstration statt. Mindestens 3,5 Tausend Menschen waren auf der Strasse, um ihre Solidarität mit Basel Nazifrei und ihre antifaschistische Haltung zu zeigen. Diese Mobilisierung ist ein Erfolg, der gemeinsam von politischen Strukturen aus verschiedenen Schweizer Städten erarbeitet wurde. Auch während den zahlreichen Prozessen gegen Basel Nazifrei, hat sich eine kontinuierliche, starke Solidarität gezeigt. Nun gilt es die revolutionäre antifaschistische Bewegung weiter aufzubauen.

Repression und Krise

Die stattfindende Repression ist nicht einfach „absurd“. Sie findet in einem politischen Kontext statt und folgt einer bestimmten politischen Logik. Es ist kein Zufall, dass Rund um die Welt versucht wird, härtere Urteile gegen linke und insbesondere revolutionäre Demonstrant*innen durchzusetzen. Wir befinden uns mitten in einer tiefen und vielfachen gesellschaftlichen Krise: Die wirtschaftlichen Widersprüche verschärfen sich seit langem und eskalieren nun mit der Coronakrise. Die Arbeits- und Lebensbedingungen grosser Bevölkerungsteile werden angegriffen, um die Profitmargen noch aufrechterhalten zu können – doch es wird immer schwieriger. Die Konkurrenz zwischen den Staaten verschärft sich, es wird militärisch aufgerüstet und wirtschaftliche Schutzzölle werden erhöht. Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht vor Armut, Unterdrückung oder Kriegen. Und obwohl es alle wissen, werden die natürlichen Lebensgrundlagen einfach weiter in rasendem Tempo vernichtet.

Widerstandsbewegungen

Das klingt alles sehr düster. Doch es gibt auch ernstzunehmenden Widerstand. 2019 war ein Jahr heftiger sozialer Aufstände in verschiedenen Teilen der Welt. Und auch im 2020 gab es hoffnungsvolle Kämpfe. Beispiele sind die jüngsten feministischen Kämpfe in Argentinien, die militanten, antirassistischen Massenproteste in den USA oder die fortgesetzte Verteidigung von Rojava.

Das ist also der politische Kontext in dem sich verschärfte Repression abspielt: Massive gesellschaftliche Krisen und schwer abzuschätzende soziale Dynamiken, die teilweise in grossen Strassenprotesten münden. Der Staat setzt auf Law-and-Order Politik, um diese sozialen Widersprüche in Schach zu halten. Ein solcher autoritär abgesicherter Kapitalismus wird natürlich am energischsten von rechten und faschistischen Parteien vorangetrieben: Das gehört zu deren Kernprogramm.

Faschistische Tendezen

Der Faschismus steht zwar bei uns nicht direkt vor der Tür. Aber wenn sich nun infolge der Corona-Pandemie die globale ökonomische Krise weiter verschärft, gibt das den Herrschenden weitere Gründe auf Nationalismus, rassistische Hetze und Aufrüstung des Repressionsapparates zu setzen.

Auch bedeutende Teile der weissen Arbeiter*innenklasse und der Mittelklassen entwickeln offen rassistische und nationalistische Ideen. Sie erhoffen sich im Kontext von ökonomischer Unsicherheit und Konkurrenz Vorteile davon, wenn Migrant*innen aus dem globalen Süden entrechtet und bekämpft werden.

Es gibt rechte Massenmobilisierungen, es gibt rechte Terroranschläge und wachsende paramilitärische Kampfverbände. In zahlreichen Ländern erringen faschistische Parteien parlamentarische Erfolge. Die Reichweite von antisemitischen Verschwörungstheorien und islamophober Hetze hat ein enormes Ausmass erreicht.

Bürgerlicher Staat und Faschismus

Faschistische Elemente sind und waren in jeder bürgerlichen Demokratie enthalten. Die liberalen „Demokratien“ teilen sich mit dem Faschismus materielle Grundlagen: Sie bauen beide auf rassistischen Klassenverhältnissen und der Ausbeutung des globalen Südens auf.

Die Agenda von Faschist*innen – „Europa verteidigen“ „Antifa zerschlagen“ „Militär und Polizei ausbauen“ – wird vielfach von breiten Regierungskoalitionen umgesetzt. Die Aufrüstung der Festung Europa wird von allen grossen Parteien – von der Sozialdemokratie, über die Neoliberalen bis zu den Nationalkonservativen – vorangetrieben. Und auch die repressiven Verschärfungen innerhalb Europas werden breit getragen. Damit soll keineswegs gesagt werden, dass es keine Rolle spielt ob im Staat sogenannte Sozialdemokrat*innen oder Faschist*innen sitzen. Wenn wir jede Form von Ausbeutung und Unterdrückung als Faschismus bezeichnen, bringt der Begriff rein gar nichts. Aber wenn wir die strukturelle Verwandtschaft zwischen Faschismus und bürgerlichen Demokratien sehen, dann wissen wir, dass Antifaschismus mehr sein muss als die Bekämpfung von Neonazis.

Strategische Schlussfolgerungen

Antifaschistische Standpunkte sind sehr anschlussfähig. Das zeigte sich als 2018, als die PNOS nach Basel mobilisierte – innerhalb sehr kurzer Zeit konnte die Gegenmobilisierung tausende Menschen erreichen und dazu bewegen gegen die Nazis auf die Strasse zu gehen. Diese gesellschaftliche Breite und Legitimität brauchen wir auch im Kampf gegen Rechtsruck und Faschist*innen. Aber Breite ist nicht gleich Breite.

Es kommt drauf an wie und mit wem sie zustande kommt und auf was die politische Grundlage ist, auf der die Einheit aufbaut. In den Mobilisierungen rund um baselnazifrei scheint es verhältnissmässig gut gelungen zu sein, einerseits die übliche Reichweite der linksradikalen Bewegung zu überschreiten und diesen Kampf für weite Teile der Bevölkerung anschlussfähig zu machen. Andererseits ging diese Breite nicht auf Kosten des Inhalts. Es war zu jedem Zeitpunkt klar von welchen politischen Kräften die Kampagne organisiert wird und über die Prozesserklärungen der Angeklagten und die Statements der Kampagne wurden wiederholt revolutionäre Inhalte verbreitet.

Wir müssen selber die Deutungshoheit darüber bewahren welche Breite wir wollen – und welche nicht. Parteien und Politiker*innen, die in einem rassistischen, ausbeuterischen Staat Machtpositionen besetzen, dürfen von uns keine Bühne für ihre verzerrte Selbstwahrnehmung bekommen. Diese Leute wollen und brauchen wir nicht. Was wir hingegen anstreben sollten: Jugendliche erreichen, linke migrantische Exil-Strukturen von Anfang an einbinden, Brücken zu anderen sozialen Bewegungen schlagen. Antifaschismus muss feministisch, antikapitalistisch und antirassistisch aufgestellt sein. Das wird nicht durch Auflistungen auf Flyern und in Reden erreicht, sondern durch die aktive Vernetzung der bestehenden Gruppierungen, die diese Kämpfe führen. Hier gibt es noch viel Verbesserungspotenzial.

Wir müssen den Moment nutzen, um die Organisierung voranzutreiben. Die revolutionäre antifaschistische Bewegung kann noch anschlussfähiger gestaltet und aus der vorhandenen Dynamik können die Strukturen gestärkt werden. Machen wir uns an die Arbeit. Die kommenden Jahre werden intensiv, denn die aktuellen Krisen sind tief. Sorgen wir dafür, dass nicht die Rechten daraus Kapital schlagen, sondern die revolutionäre Linke aus der Defensive und aus der Isolation rausfindet.

Für die soziale Revolution!