Freiheit für Palästina. Statement zum Gegen-Event „No Zionist Congress“

Am 28. und 29. August findet in Basel das 125-jährige Jubiläum des Zionistischen Kongresses statt. Organisiert wird das Event unter anderem von der World Zionist Organisation WZO, welche im Zuge des ersten Zionistischen Kongresses gegründet wurde. Zum Kongress, der von einem riesigen Militär und Polizeiaufgebot begleitet wird, werden israelische Staatsspitzen erwartet und eine ideologische Reinwaschung der gewaltvollen Komponenten der Geschichte des Zionismus und der bestehenden Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung. Demgegenüber wollen wir als Schweizerische revolutionäre Organisation Stellung beziehen. Wir sind an der Organisation der Free Palestine Demo und des Gegenevents beteiligt.

Zionismus als eine Antwort auf Antisemitismus

Der Zionismus, das Streben nach einem jüdischen Nationalstaat, entstand um die Jahrhundertwende als eine Antwort auf antisemitische Pogrome und Verfolgung in Europa. Innerhalb der jüdischen Gemeinschaft war der Zionismus aber lange Zeit eine Minderheitenbewegung. Gerade viele linke jüdische Menschen lehnten ihn ab und verbanden den Kampf gegen den Antisemitismus mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft. Tausende jüdische Menschen schlossen sich aufkommenden anarchistischen und kommunistischen Bewegungen in Europa an, um für eine befreite Gesellschaft und gegen Antisemitismus zu kämpfen. Der deutsche Faschismus und der herrschende Antisemitismus in Europa führten zur systematischen Vernichtung von jüdischen Menschen im Holocaust und folgte einer Geschichte von Vertreibung und Diskriminierung jüdischer Menschen weltweit. Die Relevanz der Forderung nach Schutz und einem Leben in Sicherheit für jüdische Menschen wurde mit diesen Entwicklungen offensichtlich. Die Bedrohung durch Antisemitismus ist heute nicht verschwunden, im Gegenteil erleben wir im Zuge der aktuellen kapitalistischen Krise und des gesellschaftlichen Rechtsrucks einen Aufschwung an antisemitischen Verschwörungsideologien. Die antisemitische Absicht, Jüd:innen zu Sündenböcken für gesellschaftliche Krisen zu machen, müssen wir als revolutionäre Linke erkennen und in unseren Gesellschaften entschlossen bekämpfen.

Der Zionismus als ein koloniales Siedler*innenprojekt

Der Zionismus war aber auch ein koloniales Siedler:innenprojekt. Er war geprägt von einem kolonialistischen Denken und wurde schon von Herzl als «Wall europäischer Kultur» gegenüber dem «barbarischen asiatischen Raum» propagiert. Zur Umsetzung ihres Siedlungsplans ersuchte die zionistische Bewegung Unterstützung bei europäischen Grossmächten und fand sie schliesslich bei der Kolonialmacht Grossbritannien. Diese gab während des ersten Weltkrieges widersprüchliche Versprechen, die kaum miteinander vereinbar, jedoch gezielt auf die eigenen imperialen Interessen abgestimmt waren. So unterstütze Grossbritannien einerseits arabische Nationalbewegungen und anderseits die zionistische Bewegung zur Sicherung ihrer imperialistischen Interessen. Mit dem Schutz der Kolonialmacht propagierte die zionistische Bewegung die jüdische Einwanderung nach Palästina. Entgegen der zionistischen Behauptung war Palästina aber nicht «ein Land ohne Volk, für ein Volk ohn Land», sondern die Heimat der palästinensischen Bevölkerung. Ähnlich wie bei der Landenteignung durch andere Siedlerkolonien, wie beispielsweise der anglophonen Kanadas, der USA, Australiens oder Neuseelands, wurde die kolonisierte Bevölkerung vertrieben. Das koloniale Interesse bestand nicht in der Ausbeutung dieser, sondern in der Herstellung einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit. Dies hiess zwangsläufig die Vertreibung der arabischen Bevölkerung und führte zur Nakba, der gewaltsamen Vertreibung von 900 000 Palästinenser:innen.

Der Prozess der Aneignung von palästinensischem Land und der Vertreibung von Palästinenser:innen endete nicht mit der Gründung des Staates Israel, sondern ist ein kontinuierlicher Prozess. Er wurde legislativ mit zwei Gesetzen über den Besitz von Lan vorangetrieben und gegen eine Rückkehr vertriebener Palästinenser:innen abgesichert (1950: das Gesetz über den Besitz von Abwesenden und 1953: das Gesetz über den Erwerb von Land). Seit 1967 werden das Westjordanland und Ostjerusalem besetzt. Im Zuge der Besatzung sind weitere 300 000 Menschen vertrieben worden. In Gaza leben zwei Millionen Menschen in einem Freiluftgefängnis, dessen Versorgung komplett von Israel kontrolliert wird – viele von ihnen sind Flüchtlinge oder deren Nachkommen. Seit 2004 wurden knapp 1000 Häuser palästinensischer Menschen in Ostjerusalem zerstört und ihre Bewohner:innen vertrieben. Im Westjordanland leben Millionen Palästinenser:innen unter militärischer Besatzung, während 500 000 israelische Staatsbürger:innen sich dort als Siedler:innen unter dem Schutz des israelischen Militärs und der israelischen Staatsverwaltung palästinensisches Land aneignen. Im Westjordanland gibt es zwei verschiedene Strassensysteme (ein hochmodernes, schnelles, das Personen mit israelischer Bewilligung und dem israelischen Militär zur Verfügung steht und ein sehr langsames für die palästinensische Bevölkerung des Westjordanlands), zwei verschiedene Wasserversorgungssysteme, Check-Points zur Durchsuchung palästinensischer Personen innerhalb des Westjordanslandes und zum Verlassen des Gebietes, Mauern zur Verhinderung der Ausreise aus dem besetzten Gebiet. Es kommt zu täglichen Schikanen und auch zu Morden des israelischen Militärs an der palästinensischen Bevölkerung.

Israel hat ein Apartheid-System eingerichtet, welches den israelischen Staatsbürger:innen in den besetzten Gebieten Bürgerrechte gibt, während Palästinenser:innen jegliche Grundrechte verwehrt bleiben. 5 Millionen Palästinenser:innen leben als Vertriebene oder deren Nachfahren in rund 60 Flüchtlingscamps in den besetzte Gebieten und den umliegenden arabischen Ländern. Ihnen wird ihr Recht auf Rückkehr in das Land von dem sie oder ihre Eltern vertrieben wurden, verwehrt. Auch in den arabischen umliegenden Ländern erleben Palästinenser:innen Unterdrückung und Ausgrenzung. Entgegen ihrer Rhetorik verfolgen die arabischen Staaten eigene Machtinteressen und scheren sich nicht um das Wohl der palästinensischen Geflüchteten.

Schweizer Komplizenschaft

Israel kann seine Politik nur durch die politische und ökonomische Unterstützung westlicher Staaten aufrechterhalten. Auch die Schweiz ist ein wichtiger Handelspartner des israelischen Staates. Eine besonders enge Zusammenarbeit führen die beiden Länder im militärischen Bereich. Die israelische Waffenfirma Elbit Systems, welche die israelische Armee mit Killerdrohnen und Kampfflugzeuge versorgt, ist ein wichtiger Waffenzulieferer für das Schweizer Militär. Zudem hat Elbit System eine enge Zusammenarbeit mit dem Schweizer Rüstungskonzern RUAG, zur Entwicklung von Waffentechnologien. Zur gleichen Zeit zeigt die Schweiz keinerlei Interesse ihre Vergangenheit bezüglich wirtschaftlicher Kooperation mit Nazideutschland oder der Abweisung jüdischer Flüchtlinge aufzuarbeiten.

Free Palestine

Ein freies Palästina bedeutet für uns die Perspektive, dass alle Menschen im historischen Gebiet Palästina, unabhängig ihrer Herkunft, Religion und Identität, in Frieden und Gleichhei zusammenleben können. Es bedeutet auch, dass vertriebenen Palästinenser:innen oder ihren Nachkommen, das Recht auf Rückkehr gewährt wird. Eine Grundvoraussetzung für diese Perspektive ist der palästinensische Befreiungskampf für die Dekolonisierung Palästinas. Ein Teil dieses Kampfes ist für uns auch die anarchistische und kommunistische Bewegung Israels, die gegen Besatzung und Apartheid im eigenen Land kämpft, in einem Klima des gesellschaftlichen Rechtsrucks und der Repression.

Palästinensischer Widerstand wird heutzutage von reaktionären islamistischen Fraktionen wie der Hamas dominiert, welche keine befreiende Perspektive für die Region anbieten. Es gibt jedoch eine Geschichte und eine Kontinuität des revolutionären Linken palästinensischen Widerstandes. Umso wichtiger ist es die palästinensische revolutionäre Linke, die ihren antikolonialen Kampf mit einer emanzipatorischen Gesellschaftsperspektive verbindet, zu unterstützen.

Internationale Solidarität

Der Kampf für die Befreiung Palästinas ist international. Die israelische Regierung wird vom Westen materiell und politisch gestützt. Neben dem Widerstand vor Ort braucht es eine internationale Bewegung, welche die Kollaboration des Westens an der Unterdrückung der Palästinenser:innen angreift. Solidarität mit Palästina bedeutet auch, hier vor Ort entschieden gegen antimuslimischen Rassismus und gegen die Vereinnahmung des Kampfes gegen Antisemitismus für israelische Staatsinteressen zu kämpfen.