Am 14. Juni war Femstreik in der Schweiz. Eines der dominanten Themen waren die Erfahrungen von Frauen und Genderqueeren Personen im Krieg. Leider waren die Positionen sehr einseitig. Frauen und Genderqueere wurden primär als Opfer von Kriegssituationen dargestellt. Dass es diese Erfahrungen gibt, möchten wir nicht bestreiten. Wir möchten mit diesem Text aber eine Ergänzung dazu liefern: Frauen und Genderqueere spielen in Kriegen auch eine aktive Rolle und es ist diese aktive Rolle, zu der wir mit diesem Text ermutigen möchten!
Seit mehreren Monaten herrscht Krieg in der Ukraine. Das Ende dieses Krieges ist noch ungewiss. Genauso wie des Krieges in Äthiopien, Sudan, Nigeria, Syrien, Afghanistan, Palästina oder Jemen. Dazu kommen zahlreiche Kriege im Zusammenhang mit internationalem Drogenhandel. Tod und Zerstörung sind Machtmechanismen der patriarchalen Ordnung, die im Laufe der Menschheitsgeschichte durch direkte Gewalt, Rüstungsindustrie und Entwicklung, Kriege, Arbeitssklaverei und sexuelle Ausbeutung sowie die Enteignung von Ressourcen und Territorium zum Zwecke der Akkumulation errichtet wurde.
Frauen und Genderqueere, die sich wehren, werden in der von weissen Männern dominierten Geschichtsschreibung nicht erwähnt oder aber von Teilen der Gesellschaft, insbesondere der Medien, sexualisiert. Sie werden besonders «sexy» dargestellt, mit herrschenden Sexsymbolen verglichen oder auf ihr Äusseres und ihr Geschlecht reduziert. Dabei riskieren Kämpfer*innen nicht nur den Tod. Bei einer Niederlage oder Gefangennahme, drohen ihnen nicht nur die militärische und politische Gewalt der Angreifer, sondern auch die männliche: Vergewaltigungen und Feminizide sind eine häufige Folge von Krieg und Besatzung. In Kriegszeiten nimmt die sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen und queeren Menschen stark zu. «Wem die Frauen eines Gebietes gehören, dem gehört dieses Gebiet» schreibt die Marxistin Maria Mies. Zwei Monate nach Beginn des russischen Einmarsches in der Ukraine gibt es nach offiziellen Angaben mehr als 10 Millionen Fälle von Zwangsvertreibung. Die internationale Organisation für Migration hat darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser Bevölkerungsgruppe vor allem um alleinstehende Familien handelt, darunter Frauen, Minderjährige und ältere Menschen.
Dass diese Form der Gewalt in Kriegszeiten noch verstärkt wird, ist kein Zufall. Denn sie ist ein Instrument der Unterwerfung. Das sehen wir auch bei den Feminiziden in Lateinamerika, wo Umweltschützerinnen, Sozialaktivistinnen, aber auch Mütter, Töchter und Schwestern absichtlich extrem gewaltsam ermordet werden. Genau an dieser Gewalt sehen wir, welches Ausmass die patriarchale Unterwerfung angenommen hat. Regierungen, Mafias und multinationale Unternehmen wollen den Widerstand weiterhin durch Angst kontrollieren.
Trotz dieser Situation, spielen Frauen und Genderqueere eine aktive Rolle in allen Kriegen. Sie sind und waren Teil von organisiertem Widerstand gegen Krieg. Sie schreiben Propagandamaterial, machen Botengänge und Transporte, verstecken Partisan*innen im Untergrund und kümmern sich um Familien & Communities während des Krieges. Und sie kämpfen auch im militärischen Widerstand. Im Zuge der Eskalation zeitgenössischer bewaffneter Konflikte sind immer mehr bewaffnete Frauen in regulären Armeen oder im Volkswiderstand vertreten. Während des spanischen Bürgerkrieges waren über 20‘000 Frauen bei den anarchistischen Mujeres libres organisiert, Tausend weitere kämpfen militärisch oder in anderen Funktionen im antifaschistischen Widerstand. Im zweiten Weltkrieg kämpften und organisierten in Polen Hunderte von jüdischen Mädchen und Frauen die Aufstände in den Ghettos. In der Guerilla der Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) machten Frauen etwa 40 Prozent der Guerillakämpfer*innen aus, in der nepalesischen Peoples Liberation Army sogar rund 75%! In Kurdistans gibt es die autonomen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), die mehr als 30’000 Frauen beinhalten. Unter anderem waren es diese Frauen, die Gebiete im Irak und Syrien vom selbsternannten Islamischen Staat befreiten.
Auch jetzt gibt es einen weltweiten, feministischen Widerstand. In Russland haben rund 45 feministische Gruppen den Telegramkanal «Feministischer Widerstand gegen den Krieg» gegründet und nutzen die Plattform trotz staatlicher Repression, um Proteste und koordinierte Aktionen zu organisieren. Feminist*innen auf der ganzen Welt folgen dem Aufruf, gegen den Krieg zu protestieren, um ukrainische Frauen vor der Zwangsvertreibung direkter und sexualisierter Gewalt und zunehmender Armut zu schützen.
Ein weiterer Aspekt der Anwendung von Gewalt über unseren Körper ist die Einschränkung des Rechts, frei über unseren Körper zu entscheiden, was sich gerade bei der zunehmenden Kriminalisierung von Abtreibung in den USA zeigt. Aber wie wir bereits bei der Marea Verde in Lateinamerika gesehen haben, irren sie sich, wenn sie glauben, dass diese Entscheidung uns schwächen wird. Wir sind Tausende von Frauen und genderqueere Menschen auf der ganzen Welt, die ihre Stimme in Solidarität mit unseren Schwestern in Polen, in den USA, in El Salvador und in jeder Ecke des Planeten erheben. Bis das Recht, über unseren Körper zu entscheiden, allgemein gilt.
Wir werden uns weiterhin organisieren und unseren Kampf gegen patriarchale und kapitalistische Unterdrückung weiterfuhren! Die Zukunft ist jetzt und sie ist violet!